Verein zur Förderung der Straßenkinder von Maceió i.L.


30 Jahre Unterstützung der Straßenkinder von Maceió
Eine nachdenkliche Bilanzierung

Seit drei Jahrzehnten wird von uns immer nur dasselbe Projekt unterstützt. Warum bloß? hat's was gebracht? Diese Fragen stellen sich jedem, der etwas mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun hat. Normalerweise bevorzugt eine ergebnisorientierte Zusammenarbeit eine Art „Hilfe zur Selbsthilfe“, die zumeist zeitlich begrenzt ist und Ergebnisse nachweist etwa in Form von Gebäuden oder Produkten. Kann man so etwas auch von dem Maceió-Projekt erwarten, das seit 1987 „die Arbeit einer kleinen Gruppe von Sozialarbeitern in Brasilien unterstützt, deren Aufgabe in der präventiven und kurativen Arbeit bei Straßenkindern besteht“? – wie es im offiziellen Flyer des Halstenbeker „Verein zur Förderung der Straßenkinder von Maceió e.V.“ steht. Denn dieser Verein setzt seitdem den von Anfang an gemeinsamen Einsatz der evangelischen und katholischen Kirche in Halstenbek operativ um. Die Frage ist also berechtigt, sind doch in diesen drei Jahrzehnten beträchtliche Summen geflossen:


Allein seit 2001, dem Gründungsjahr des o.g. Vereins, waren es im Jahresdurchschnitt € 15.000,00 (insg. € 270.000). Zusammen mit den Beiträgen unseres Partnervereins menino aus Sinzig erhielt das Projekt in dieser Zeit mehr als eine halbe Million Euro. Hinzu kamen die vor der Vereinsgründung gesammelten Spenden in den Jahren 1987 bis 2001, die vom ökumenisch arbeitenden Ausschuss für Frieden, Mission und Entwicklung der Herz-Jesu-Gemeinde insg. über € 10.000,00 jährlich überwiesen wurden. Tolle Leistung, großer Dank an die vielen treuen Spender!

Doch wie steht es um die Multiplikator-Wirkungund um die Sichtbarkeit eines Straßenkinderprojekts, das als Bildungsprojekt den Fokus auf das Erziehungspersonal richtet? Ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des Projekts erleichtert die Antwort, denn eine Hilfe zur Selbsthilfe, die sich mit der Zeit überflüssig macht, konnte von Anfang an nicht intendiert sein.

Wer war also diese kleine Gruppe von Sozialarbeitern? Sie bestand teils aus engagierten Studenten und/oder Dozent/-innen der Universität von Alagoas, teils aus ehrenamtlichen kirchlichen Mitarbeiter/-innen der ökumenisch orientierten „Minderjährigen-Pastoral“ der Erzdiözese Maceió. Als solche waren sie, wie ähnliche Gruppen in ganz Brasilien, erste Adressaten der alljährlichen Kampagne der Geschwisterlichkeit der brasilianischen Bischofskonferenz, die für 1987 das Thema der Minderjährigen in den Mittelpunkt stellte: „Wer ein solches Kind aufnimmt, der nimmt mich auf“ (Mt, 18:5) – ein wahrhaft ökumenisches Thema, das in Brasilien seit den 60er Jahren entsprechend dem pädagogischen Ansatz von Paulo Freire in der katholischen und zunehmend auch evangelischen Erwachsenenbildung praktisch umgesetzt wurde. Dieser auch in der Ökumene viel beachtete brasilianische Volkspädagoge vertritt eine Erziehungsmetode zum Subjektwerden durch Bewusstseinsbildung und konkrete solidarische Arbeit. Und weil die erwähnten Gruppen dank ihrer Arbeit in den Vorjahren nicht nur schnell zu antragsreifen Projekten kamen, sondern darüber hinaus auch über einen eigenen Arbeitsraum verfügten, gründeten sie alsbald gleich zwei selbstständige gemeinnützige Vereine: 1987 das Kinder- und Jugendzentrum von Vila Brejal in einem Elendsviertel nahe der Stadtmitte von Maceió und 1991 das Alternativprojekt zur Förderung der Straßenkinder Erê gleich in der Stadtmitte, das zu einem direkten Referenzzentrum für Straßenkinder wurde (und 1997 auf unsere Anregung hin das o.g. Kinder- und Jugendzentrum übernahm). Dank bestehender Kontakte fanden sie 1987 den Weg zu uns in Halstenbek.

Ihr bildungsorientiertes Konzept für die Ärmsten unter den armen Kindern und Jugendlichen fand den Zuspruch unserer beiden Halstenbeker Kirchengemeinden: auf katholischer Seite leistete eine Firmlings-Gruppe schon 1986 die Vorklärungsarbeit mit einer Kirchbesucher-Umfrage und einem thematischen Gottesdienst, auf evangelischer Seite war es neben der Konfirmandengruppe auch die Kinderkirche, die 1987 die Kommunikation in die Gemeinde und zu den Kindern in Maceió herstellte. Die laufende Arbeit der Spendensammlung und Information in beide Richtungen übernahm in der Zeit von 1987 bis 2001 eine ökumenisch arbeitende Gruppe im katholischen Ausschuss für Frieden, Mission und Entwicklung. Daraus ging 2001 der bis heute aktive „Verein zur Unterstützung der Straßenkinder von Maceió e.V.“ hervor, der satzungsmäßig eine paritätische Vertretung beider Kirchen vorsieht. Ein intensiver Austausch von Informationen, Vor-Ort-Besuche, Jahresabschlüsse und Jahresberichte begründeten in uns das Vertrauen in die ordentliche Zweckverwendung der Spenden.


Dank der Nachhaltigkeit des Spendenaufkommens wurde es möglich, bei aller personellen Fluktuation eine konstante Bildungsleistung zu halten, da nicht einzelne Kinder oder ihre Familien die direkten Adressaten waren und sind, sondern die o.g. Bildungsvereine mit ihren Erziehern als Multiplikatoren. So konnten seit 1987 täglich bis zu 80 4- bis 5jährige (seit 2014 auch 3-jährige) Kinder in der Vorschule betreut, jährlich 15 bis 20 schulreife Kinder in die Grundschule weitergeleitet, bis 2010 eine stark oszillierende Anzahl von Straßenkindern angesprochen und gefördert, in einigen Jahren gar bis zu 40 Jugendliche und Erwachsene alphabetisiert werden. Geleistet wurde darüber hinaus materielle oder beratende Sozialhilfe an Familien, Bildungsveranstaltungen für die lokale Gemeinschaft, Weiterleitung an Sozial- und Gesundheitsbehörde usw.


Mein Fazit: Die Nachhaltigkeit und Sichtbarkeit vom Projekt Erê ist nicht in erster Linie durch Bauhilfe gewährleistet, auch wenn mit unserer Hilfe die Vorschule 1997 neu gebaut und 2013 aufgestockt wurde. Sondern durch Bildungshilfe. Und diese ist so nachhaltig und sichtbar wie die Menschen, denen sie dient. Als eingetragene Nichtregierungsorganisation ist das „Projekt Erê“ zwar „partnerschaftsfähig“ und „antragsfähig“, aber die dabei realisierten Projekte waren und sind zumeist kurzfristig (wie ein Computer-, Capoeira- oder Musikkursus), können also nur ein kurzfristiger Anstoß zur Selbsthilfe sein. Diese kann freilich zu einer dauerhaften Selbsthilfe führen, wie dies der Fall bei unseren beiden Capoeira-Lehrkräften und bei etlichen unserer Erzieher/-innen war, die früher selbst Erê-Zöglinge waren. Durch die Anerkennung einer Projektpartnerschaft mit dem Kindermissionswerk im Jahr 2013 ist allerdings ein wichtiger Baustein für längerfristige Bindung gesetzt worden. Denn seitdem überwies das KMW nach Maceió aus seinem gemeinsamen Spendentopf mit insg. rd. € 30.240 deutlich mehr, als es durch die Sammlung der ökumenisch ausgesendeten Halstenbeker Sternsinger einnahm, nämlich € 26.396. Auch dies ist ein beredtes Zeugnis für die Nachhaltigkeit des Projektes, an beigefügtenen Fotos sichtbar gemacht.

Gilberto Calcagnotto

Zuletzt aktualisiert: 17.02.2019